Kiparsky V. Russ. князь Furst und First 1964, SLAVICA, Збірн &, ScandoSlavica

[ Pobierz całość w formacie PDF ]
//-->102Scando-Slavica · Tomus XV. K IP A R S K Y :Russ, к�½язь ‘Fürst’ und ‘First’Die Etymologen sind sich einig darüber, dass das rätselhafte Wortк�½гьсъ,eines von den vielen Hapaxlegomena des Igorliedes, das, wie man ausdem einzigen Beleg schliessen kann (уже дьскы безък�½гьсав моемътерем і златовръсЬмъ, Vers 97 nach der Numerierung Jakobsons), einenTeil des Fürstenhauses (теремъ) bedeutete, dem russ.к�½язь, к�½язёк‘Dach-,First-, Giebelbalken’ gleichzusetzen sei. Dieses letztere sei wiederum, soglauben alle, mit russ.к�½язь<kbnqd'z'b‘Fürst’ < urgerm.*kuniijgaz‘König’ identisch. Die Bedeutungsentwicklung von “Fürst” zu “Dach-,First-, Giebelbalken”, also zur Bezeichnung des “höchsten Balkens einesGebäudes”, sei eine ebenso natürliche, wie diejenige zu “lange Getreide­ähre, die voller ist und höher steht, als die anderen” oder zu “Tierchenoder Vögelchen von ungewöhnlicher Farbe, besonders ein Albino”.1 Diebeiden letzteren Bedeutungen sind bei Dal' für russ.к�½язёкbelegt. Seit1769 nennen russische Ornithologenк�½язёкdie in Ostrussland beheimateteLasurmeise (Parus cyanus Pall.).2Die lautliche Diskrepanz zwischenк�½гьсъundк�½язьwird durch volks­etymologische Anlehnung des ersteren an das letztere erklärt, so dass dieursprünglichere Form ebenк�½гьсъsei. Die Etymologie dieser rätselhaftenForm ist jedoch keineswegs geklärt. Preobrazenskij3 zieht lett.knese[sobei ihm fälschlich fürknize]‘Hahnenkamm’ (eigentlich ‘Hühnerkamm’),ahd.hnel,got. [vermutlich auch hier fälschlich für “mhd” !]nelles(eigent­lichnehnelles)‘Spitze, Gipfel, Scheitel’ heran, was Vasmer4 mit rechtfür unwahrscheinlich hält, obgleich er nichts besseres vorzuschlagen hat.Vasmer war jedoch die Erklärung Roman Jakobsons5 entgangen;kn-inк�½гьсъwird dort auf*къп-zurückgeführt und mit poln.kien‘Klotz, Block’,knowac‘einen Baum behauen’,do kna‘bis auf den Grund’, tsch.knivy1Ob auch der “Affenfürst”(к �½ а з ьш б е з А Н ь е к ы и )in dem bekannten BerichtAfanasij Nikitins über Indien hierher zu stellen sei, bezweifle ich, denn es dürfte amehesten der “Leitaffe” der Herde gemeint sein.1 vgl. Modest Bogdanov,Iz iizni russkoj prirody*,St. Petersburg 1897, S. 273-275.*Etim. Slov.I 324.* R E W1581.*La G este...261.V. Kiparsky: Russ, к�½язь ‘Fürst’ und ‘First’103‘paralyticus’,6 slov.knjaček‘ästiger Klotz’,knjakast‘mit nur einer Handoder an den Händen krüppelhaft’7 und skr.knjes8zusammengestellt.Dem skr.knjes,das mit demк�½гъсъdes Igorliedes sogar im Suffix über­einstimmt, gibt Jakobson die Bedeutung ‘le tronqué, l’étêté’( =der Ge­stutzte, Verstümmelte, Geköpfte). Untersucht man jedoch die betreffendeStelle in BudmanisRječnikgenauer, so sieht man, worauf mich meinehemaliger Berliner Assistent, Dr. Franz Görner aufmerksam macht, dasskňés:kňésa9keineswegs =knäk(ast)—kjäkav — k/äst‘mutilatus, decur-tatus, mancus’, sondern =kfiak‘infans multum plorans’ ist. Skr.knjes(kňés)bedeutet also gar nicht ‘gestutzt, verstümmelt, geköpft’, sondern‘weinerlich’, und muss darum von den anderen, von Jakobson angeführtenFormen getrennt werden. Dennoch bleibt Jakobsons Deutung desк�½гъсъaus dem Igorliede die einzig mögliche, vorausgesetzt, dassк�½гъсъtatsäch­lich eine alte, unverderbte Form ist.Man könnte sich aber sehr wohl denken, dass die ursprüngliche Formdes russischen bautechnischen Terminus nichtк�½гъсъ,sondern geradeк�½язьwar. I. Zabelin10 führt nämlich einen, m. W. den ältesten Beleg fürк�½язьin bautechnischer Bedeutung an: “...�½ а пояс�½ое жъ брев�½о и �½ак�½язьза 31 брев�½о штисаже�½�½ых по полти�½Ъ за брев�½о”.11 Der Satzbedeutet ungefähr: “zur Herstellung der Umzingelung aus Balken undzumк�½язьfür 31 Sechsklafterbalken à einen halben Rubel das Stück”und stammt aus einer Rechnung, die im Jahre 1626 von einem moskowiti-schen Baumeister ausgestellt worden ist. Wasк�½язьhier bedeutete, lässtsich aus dem Text leider nicht ganz genau erschliessen, sicher ist es aber,dass es sich um einen aus sehr grossen (12 m langen!) Balken herzustel­lenden Teil eines grossen Gebäudes (Palastes) handelte. Es kann sich alsosehr wohl um einen First oder Giebel gehandelt haben.Interessant in diesem Zusammenhang ist die Stelle Ps. 23,7, die imWörterbuch der russischen Akademie vom Jahre 1847 s.v.к�½язьheran­gezogen wird. Sie lautet dort: возмите врата к�½язи ваша ‘Erhebet, Für­sten, eure Tore!’. Der Psalter vom Jahre 1808 schreibt: возмйте BpaTá* Dieses Wort ist bei Jungmann nur aus PreslsRostlinářbelegt und könnte an sichauch ein Neologismus sein.J PleterŠnik-Wolf I 414.8 Budmani,RječnikV 118.» ib.10Domašnijbyt russkich care/...Moskau 1895, Materialy 585.11 Dieses Zitat ist von meinem ehemaligen Berliner Hörer, Herrn Georg Schulzgefunden worden. Vgl. seine ArbeitStudien zum Wortschatz der russischen Zimmer­leute und Bautischler(Slavistische Veröffentlichungen des Osteuropa-Instituts an derFreien Universität Berlin№30, 1963, S. 88).Downloaded b [University of Calgary] at 03:22 1 September 2013y8104к�½ а зиScando-Slavica · Tomus XB ániamit Wiederherstellung der altkirchenslavischen Graphik. Dasvermutlich aus dem 11. Jh. stammende Psalterium Sinaiticum bietet aberan der entsprechenden Stelle възьмЪте вратаk b h a s hваши, das genaudem griechischen äpate 7túX.aq oi üpxoviEg i)|iä>v und dem Vulgata-Textattollite portas principes vestri ‘Erhebet die Tore, eure Fürsten!’ entspricht.Wie mir Prof. Dr. Esko J. Haapa, Adjunkt für die Ursprachen der HeiligenSchrift an der Universität Helsinki freundlichst mitteilt, beruht dieseDiskrepanz auf einem alten Übersetzungsfehler. Das hebräische Wortrös‘Kopf, Haupť kann nämlich auch ‘Häuptling’ bedeuten. D ie Septua­ginta-Übersetzer haben das Wort gerade in der letzteren Bedeutung auf­gefasst und den hebräischen Urtext des Psalms 24,7a ( = Septuaginta Ps.23,7a) sa’ü s3‘ärim räsekoem ‘erhebt, ihr Tore, eure Häupter!’ fälschlichinterpretiert. Wie dem auch sei, jedenfalls darf man hierк�½язи,k s h a s hdes slavischen Textes nicht mit ‘Torbalken’ identifizieren, wie es das Wör­terbuch von 1847 tut.Sieht man also von dem rätselhaften Hapaxlegomenon des Igorliedesab (die verschollene Handschrift des Igorliedes wird z.B. von Obnorskijund Barchudarov in ihrer Chrestomatija... mit dem 16. Jh. datiert, aberes gibt Gelehrte, die sie für jünger halten), so lässt sichк�½язьals bautech­nischer Terminus bis Anfang des 17. Jhs. zurückverfolgen.Man fragt sich nun, ob es ein reiner Zufall sei, dass auch in einigen ger­manischen Sprachen die etymologisch nicht identischen, wenn auch ver­wandten Wörter für “Fürst” und “Dachfirst” zusammengefallen sind.D .Fürstist ein substantiviertes Superlativum zu idg.*pr,das mitma-Suffix in lit.pirmas,as.formo‘erster’ und mit Komparativsuffix in ahd.furiro,schwed.förre‘der frühere, erstere’ steckt. Ahd.furistobedeutetauch ursprünglich ‘princeps’ (‘der die erste Stelle einnimmt’) und erstarrterst um 1120 zu ‘Reichsfürst’. - D.Firsthatte ursprünglich ‘Bergrücken,-gipfel (culmen, cacumen)’ bedeutet und entspricht dem aind.prstkám‘Rücken, Gipfel’, avest.paršti‘Rücken’, lat.postis( <*por-stis),die aufidg.*pr+*stä-“hervor” + “stehen” zurückgehen.12In den ältesten germanischen Texten werden die Formen für ‘princeps’von denjenigen für ‘culmen, cacumen’ sauber geschieden. So heisst ersteresahd.furisto, fursto,as.furisto,ags.fyrsta,letzteres ahd. und as.first,ags.first, fyrst.Im Altfriesischen und den nordgerman. Sprachen liegen Ent­sprechungen des d.Firstnicht vor, dafür gilt an.äs(schwed.äs,meisttakäs).Mit dem Eintreten des Umlauts und der Entrundung der Misch­vokale musstenfuristoundfirstjedenfalls im Stammvokal zusammenfallen,11 vgl. Walde-Pokomy,Vgl. Wb. d. idg. SprachenII 35.Downloaded b [University of Calgary] at 03:22 1 September 2013y8V. Kiparsky: Russ, к�½язь ‘Fürst’ und ‘First’105und in der Tat istvirsten‘Fürsten’ im Bairischen schon im 12. Jh. belegt.13Später wurden die entrundeten Vokale z.T. von denselben Vorgängen derDehnung und Kürzung, Diphthongierung und Monophthongierung, Hebungund Senkung erfasst, wie die Vokale der vorderen Reihe, mit denen siezusammengefallen sind.14 Im Niederdeutschen ist die Entrundung nur imgeringem Umfang verbreitet,15 sie findet sich aber in einigen Siedlungs­mundarten Nordostdeutschlands, die eine bedeutende Beimischung hoch­deutscher Bestandteile aufweisen, vor allem im südlichen Baltendeutsch,wo die Eingeborenensprache (Lettisch) überhaupt keine Mischvokalekennt. In den Mundarten, die die gerundeten Vokale erhalten haben,begegnet in einzelnen Wörtern eine historisch unberechtigte Rundungvon /,e>ii, ö,so dass in mndl. Denkmälern das Wort für ‘culmen,cacumen’ oftveurstgeschrieben wird, genau wie dasjenige für ‘princeps’.Im heutigen Ndl. sind beide Wörter in einer Formvorst(e)zusam­mengefallen. In den heutigen deutschen Dialekten sind jedoch, ab­gesehen von dem Hinweis Grimms, dassFirst“nicht seltenfür stgeschrie­ben” werde, diese beiden Wörter, soweit sie überhaupt in einer und der­selben Mundart bekannt sind, lautlich verschieden. So führt dasRheinischeWörterbuchvon Josef Müller (Berlin 1931) für ‘Fürst’ die Formenfqrst,fh r st, first, fers, fyasund für ‘First’fqäst, fis t, fest, vhrs, vqst, firs, fas,fas, fQrsan. Die übrigen Dialektwörterbücher scheinen nur je eines derbeiden Wörter zu kennen. Otto Mensing,Schleswig-Holsteinisches Wörter­buch(Neumünster 1929), R.Wossidlo-H.Teuchert,Mecklenburgisches Wör­terbuch(Berlin 1957) und W. Krogmann,Helgoländer Wörterbuch(Wies­baden 1957) führen nur Formen für ‘First’ an; Ed. Kück,LüneburgerWörterbuch(Neumünster 1942) und Adam Wrede,Neuer KölnischerSprachschatz(Köln 1956) dagegen nur diejenigen für ‘Fürst’. Mitunter istdies durch kulturhistorische Ursachen zu erklären. So ist das Fehlen einesWortes für ‘Fürst’ in Mecklenburg, wo es seit jeher nur Herzöge gab,wohl verständlich.Eine Verwechslung vonFirstundFürstinfolge lautlichen Zusammen­falls war also seit dem 12. Jh. im Hochdeutschen, im Mittelniederländischenund im nordöstlichsten Mittelniederdeutschen, speziell im Südbaltikummöglich. Heute ist sie im Niederländischen und in einigen ndd. Mundartenmöglich. Sollte nun russ.к�½язь‘Fürst’ unter dem Einfluss einer germani­schen Form, die zugleich ‘Fürst’ und ‘First’ bedeutete, die Bedeutung‘Dachfirst, Giebel, oberster Balken des Daches’ erhalten haben, so kann13 vgl. V. M. Schirmunski,Deutsche Mundartkunde,Berlin 1962, S. 204.11 ibid. 205.15 ibid. 206.Downloaded b [University o Calgary] at 03:22 1 September 2013yf8106Scando-Slavica · Tomus XDownloaded b [University o Calgary] at 03:22 1 September 2013yf8es nur durch die Vermittlung eines zweisprachigen Baumeisters geschehensein. Solche zweisprachige Baumeister, entweder in Russland tätige Deutscheund Holländer oder Russen, die in Holland in die Lehre gegangen waren,gab es eine Menge in der petrinischen Zeit, und man würde deswegen andas ndl.vorst(e)in beiden Bedeutungen als Ursache der semantischenVerschiebung beim russischen Wort denken. Der Beleg aus dem Jahre1626 schliesst jedoch diese Möglichkeit aus, da russ.к�½язьals bautech­nischer Terminus (‘First oder etwas Ähnliches’) mindestens zwei Genera­tionen vor Peter dem Grossen aufgekommen sein muss, falls es überhaupteine Lehnübersetzung ist. Da eine ähnliche semantische Verschiebungm.W. weder im Polnischen noch im Ukrainischen vorliegt, müsste sie-jedenfalls auf direktem Kontakt zwischen Russen und Deutschen oderHolländern beruhen. Solche direkte Kontakte hat es aber vor der petri­nischen Zeit nur in Pleskau und Nowgorod im 13.-15. Jh. gegeben, bevordiese Handelsrepubliken von Moskau erobert worden waren. Die Ursacheder semantischen Verschiebung des russ.к�½язьwar also am wahrschein­lichsten ein älteres baltendeutsches (rigensisches)First1) ‘First’, 2) ‘Fürst’.Natürlich ist durch die obigen Ausführungen die Tatsache der Lehn­übersetzung nur glaubhaft gemacht, keinesfalls aber bewiesen. Um einenunwiderleglichen Beweis zu führen, müsste man in einem russischen Texteinen Hinweis finden, dass der Giebel von den Deutschen “der Fürst”genannt werde oder etwas Ähnliches. Es wäre vielleicht zu optimistisch,in dieser Beziehung irgendwelche Hoffnungen zu hegen. Findet man abereinen solchen Hinweis, so muss man das rätselhafteк�½гьсьdes Igorliedesentweder ganz vonк�½язь‘Fürst’ und ‘First’ trennen oderк�½гьсьals ver­derbte Form betrachten. Die sekundäre Entstehung dieser letzteren ist umso leichter zu begreifen, alsк�½язьin einigen nordgrossrussischen Mund­arten tatsächlich [kn'e:s'] gesprochen wird. [ Pobierz całość w formacie PDF ]
  • zanotowane.pl
  • doc.pisz.pl
  • pdf.pisz.pl
  • klobuckfatima.xlx.pl